Anmerkungen zur Geschichte des ICOS
Elwys De Stefani
(Übersetzung ins Deutsche Eugen Schochenmaier)
1. Die ersten Jahre
Die Gründung des ICOS im Jahr 1949 wurde durch zwei bedeutende Ereignisse vorbereitet: 1938 leitete Albert Dauzat den ersten Internationalen Kongress für Toponymie und Anthroponymie in Paris. Neun Jahre später, 1947, wurde die zweite Ausgabe des Kongresses ebenfalls in der französischen Hauptstadt, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, organisiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte Albert Dauzat bereits seine wegweisenden onomastischen Studien veröffentlicht (Les noms de personnes 1925, Les noms de lieux 1926, La toponymie française 1939), die ihm breite Anerkennung und Bewunderung einbrachten. Obwohl bereits beim ersten Kongress der Wunsch nach der Gründung einer internationalen Vereinigung von Onomastikern geäußert wurde (Onoma 1, S. 6), wurde das Internationale Komitee für Onomastische Wissenschaften (International Committee of Onomastic Sciences / Comité International des Sciences Onomastiques) erst während des dritten Kongresses 1949 in Brüssel offiziell gegründet.
Laut den ersten Statuten (veröffentlicht in Onoma 1, S. 22–25) sollten die ICOS-Kongresse alle drei Jahre stattfinden – eine Regel, die nahezu perfekt eingehalten wurde. Eine Ausnahme bildete der Amsterdamer Kongress von 1963, der nur zwei Jahre nach dem vorherigen Kongress in Florenz (1961) stattfand. Die Statuten bestimmten zudem, dass das Komitee aus einem Generalsekretär und mindestens zehn weiteren Mitgliedern bestehen sollte. Der erste Generalsekretär war Hendrik Jozef van de Wijer von der Katholieke Universiteit Leuven. Diese Universität beherbergte auch den Hauptsitz des ICOS, das Internationale Zentrum für Onomastik, das am Instituut voor Naamkunde in Leuven eingerichtet wurde.
Von Anfang an war ICOS dem Internationalen Rat für Philosophie und Geisteswissenschaften der UNESCO angeschlossen. Im Jahr 1950 wurde schließlich die Zeitschrift des Komitees, Onoma, ins Leben gerufen. Ursprünglich als „bibliografisches und informatives Bulletin“ konzipiert, das aktuelle Publikationen sowie Informationen über Konferenzen, Forschungsprojekte und Dissertationen präsentierte, hat sich Onoma inzwischen zu einer der führenden Fachzeitschriften für namenkundliche Forschung entwickelt. Gelegentlich fungierte Onoma auch als Sammelwerk für die Tagungsberichte der ICOS-Kongresse. So wurden beispielsweise die Berichte des Berner Kongresses (1975) in den Bänden 20 (1976) bis 22 (1978) veröffentlicht.

Neujahrskarte, unterschrieben vom ersten Generalsekretär des ICOS, Hendrik Jozef van de Wijer, zum Gedenken an Albert Dauzat. (Universität Bern, Karl-Jaberg-Bibliothek)
2. Eine wachsende Anzahl von Mitgliedern
Der ICOS erlangte schnell internationale Anerkennung als wissenschaftliche Organisation: Der vierte Kongress, der 1952 in Uppsala stattfand und von Jöran Sahlgren und seinem Team organisiert wurde, zog bereits 180 Teilnehmer aus 25 Ländern an. Die Zahl der Delegierten des ICOS wuchs kontinuierlich. Bis 1966 zählte der ICOS etwa 80 Mitglieder, und bis 1990 waren insgesamt 147 Mitglieder, einschließlich Ehrenmitgliedern, registriert (Van Langendonck 1995: 277).
Das rasche Wachstum der Organisation machte es erforderlich, die Leitung des ICOS neu zu strukturieren. 1955 wurde beschlossen, den Generalsekretär durch einen Assistenten zu unterstützen – diese Aufgabe übernahm Henri Draye (Onoma 6, S. 4). Der erste Generalsekretär des ICOS – und zugleich derjenige mit der längsten Amtszeit (18 Jahre) – verstarb im Dezember 1968. Nach dem Tod von Van de Wijer (siehe Nachruf in Onoma 12, S. 189-191) wurde Henri Draye zum neuen Generalsekretär gewählt, während Karel Roelandts die Rolle des Assistenten übernahm.
Bis 1990 war die Leitung des ICOS eng mit der Universität Leuven verbunden, die alle führenden Mitglieder der Organisation stellte. Nach Drayes Tod im Jahr 1983 (siehe Nachruf in Onoma 26, S. 1-4) wurde beschlossen, ein Exekutivkomitee des ICOS zu schaffen. Dieses bestand aus dem Generalsekretär (Karel Roelandts), dem Assistenten (Willy van Langendonck) sowie zwei weiteren Mitgliedern (Ernst Eichler und William Nicolaisen).
In den 1990er-Jahren kam es zu bedeutenden Veränderungen in der Struktur des ICOS: Während des Kongresses in Helsinki (1990) wurden die Statuten der Organisation neu definiert (Onoma 30, S. 11-12). Drei Jahre später, während des Trierer Kongresses, wurden die Statuten erneut angepasst (Onoma 31, S. 13-16). Die Gesellschaft gab sich einen neuen Namen: International Council of Onomastic Sciences. Die Mitgliedschaftspolitik wurde überarbeitet, was zu einer Zunahme der Abonnements führte. Ein Mitgliedschaftsausschuss wurde eingerichtet, der Mitgliedsanträge prüfen sollte: Einzelpersonen konnten nur dann Mitglieder werden, wenn sie von zwei „anerkannten Onomastikern“ vorgeschlagen wurden (Onoma 31, S. 14).
Die heutige Struktur des ICOS-Vorstands wurde ebenfalls in dieser Zeit festgelegt: Er besteht aus sechs ausführenden Mitgliedern und sechs Ex-officio-Mitgliedern. Die Amtsdauer wurde auf zwei Amtszeiten begrenzt, mit Ausnahme des Präsidenten, dessen Amtszeit auf eine Periode, also drei Jahre, beschränkt wurde. Leichte Änderungen der Statuten wurden im Jahr 2001 vorgeschlagen und von der Generalversammlung während des Uppsala-Kongresses (2002) genehmigt.
Auch für Onoma gab es eine wichtige Neuerung: Während Onoma ursprünglich als bibliografisches und informatives Bulletin konzipiert war, erschien 1993 die letzte bibliografische Ausgabe (Onoma, Bd. 31). Ab 1994 wurde Onoma als wissenschaftliche Zeitschrift bzw. Jahrbuch herausgegeben, und ab Band 34 (1998/1999) wurden regelmäßig Themenhefte unter der Leitung von Gasteditoren veröffentlicht.
Teilnehmer des 12. ICOS-Kongresses, der 1975 in Bern stattfand. (Universität Bern, Institut für Germanistik, Forschungsstelle für Namenkunde
3. ICOS heute
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat ICOS seine Mitgliedschaftspolitik geöffnet: Alle Personen, die an namenkundlicher Forschung interessiert sind, können nun Mitglieder werden. Im Jahr 2002 verabschiedete die Generalversammlung neue Statuten, und im selben Jahr verlegte ICOS seinen Hauptsitz von Leuven nach Uppsala, wo er sich seither am Institut für Sprache und Volkskunde (SOFI) befindet.
Im Laufe der Jahrzehnte ist es den im ICOS engagierten Personen gelungen, die Ideale seiner Gründer zu bewahren und zugleich aktuelle Fragestellungen der Sozial- und Geisteswissenschaften aufzugreifen. ICOS bleibt die einzige internationale Organisation für Namenforschung und fördert den wissenschaftlichen Austausch durch die Ausrichtung des alle drei Jahre stattfindenden Kongresses, die Veröffentlichung wissenschaftlicher Artikel in Onoma und die regelmäßige Verbreitung von Newslettern. Seit seiner Gründung hat sich die Namenforschung für eine Vielzahl von Forschungsfragen und Methoden geöffnet, die neben den historischen und etymologischen Ansätzen bestehen, die die Onomastik einst berühmt gemacht haben.
Die Namenforschung fasziniert weiterhin neue Generationen von Forschenden in den Sozial- und Geisteswissenschaften – vielleicht gerade deshalb, weil „eine Rose, wie sie auch heißen mag, genauso süß duftet“.
ICOS-Präsidenten:
- Hendrik Jozef van de Wijer (1950–1968)
- Henri Draye (1969–1983)
- Karel Roelandts (1984–1990)
- William F. H. Nicolaisen (1990–1996)
- Rob Rentenaar (1996–1999)
- Isolde Hausner (1999–2002)
- Mats Wahlberg (2002–2005)
- Maria Giovanna Arcamone (2005–2008)
- Sheila Embleton (2008–2011)
- Carole Hough (2011–2014)
- Milan Harvalík (2014–2017)
- Paula Sjöblom (2017–2021)
- Katalin Részegi (2021–2024)
- Staffan Nyström (2024–)
Chefredakteure von ONOMA:
- Hendrik Jozef van de Wijer (1950–1968)
- Henri Draye (1969–1982)
- Willy van Langendonck (1982–2002; de facto since 1968)
- Doreen Gerritzen (2002–2011)
- Elwys De Stefani (2012)
- Unni Leino (2012–2018)
- Oliviu Felecan (2018–2021)
- Mats Wahlberg (2021-)
Frühere ICOS-Statuten:
- ONOMA 1 (1950): 22–25
- ONOMA 30 (1990–1991): 11–12
- ONOMA 31 (1992–1993): 13–16 (also in Van Langendonck 1995)
Aktuelle ICOS-Statuten:
Referenzen:
- Kremer, D. (2018): 25 Jahre neuer ICOS. Onomastik-Blog. GfN (Link)
- Leibring, K. (2010): ICOS och Norden. Botolv onomastikkens harding. Veneskrift til Botolv Helleland på 70-årsdagen 9. juni 2010. Red. av Terje Larsen og Tom Schmidt, pp. 53–58.
- Nicolaisen, W. F. H. (2000): Fifty years Onoma (1950–2000). Onoma 35, pp. 5–16.
- Van Langendonck, W. (1995): International onomastic organizations. Activities, journals, and collections. Name studies. An international handbook of onomastics, ed. by E. Eichler et al. Berlin: De Gruyter, vol I., pp. 277–280.